Ein tödliches Wiedersehen
Der Gang über den roten Teppich ist für Johanna Sprengel so geläufig wie für andere der tägliche Weg ins Büro. Auch mit ihrem neuesten Kinofilm beweist die erfolgreiche Produzentin bei der heutigen Premierenfeier wieder einmal: sie hat ein untrügliches Gespür für Geschichten, die den Nerv des Publikums treffen. Und dafür darf man sich beim anschließenden Premierendinner gerne feiern lassen.
Doch im Gegensatz zum herzergreifenden Happy-End des Films endet die Premierenfeier mit einem im wahrsten Sinne des Wortes eiskalten Mord. Motive finden sich in dieser von Neid und Eitelkeit prallgefüllten Branche sofort. Als aber eine überraschende Parallele zum Film auftaucht, führt die Suche nach indiziösen Hintergründen weit in die Vergangenheit. Denn in dem Film verbirgt sich ein lang gehütetes Geheimnis, das einem der Filmbeteiligten zum tödlichen Verhängnis wird.
Gäste in diesem Mordfall wissen noch einiges mehr dazu
Sie haben eben die Premiere des Kinofilms Déjà Vu erlebt. Die Produktionsfirma Sprengel & Pückler heißt Sie im Namen von Johanna Sprengel und Dr. Daniel Pückler herzlich willkommen zur nun stattfindenden Premierenfeier.
Sie heißen Sigrid Söhr-Wies und arbeiten beim Wachund Personenschutz. In den zurückliegenden Monaten hatten Sie einen der schönsten Jobs in Ihrem Leben: auf dem Filmdreh von Déjà Vu. Dank Ihrer geschulten Aufmerksamkeit ist tatsächlich nichts abhanden gekommen. Halt – eine Sache wurde doch gestohlen. Aber das war in einer Filmszene, in der Sie sogar mitgemacht haben! Und zwar Seite an Seite mit der Hauptdarstellerin Clärchen Ballhaus. Die eigentliche Nebenrolle, die eine Kaufhausdetektivin spielen sollte, war zum Zeitpunkt des Drehs nicht auffindbar und da fragte Sie der Regisseur Klaus Wendt, ob Sie mal kurz einspringen könnten. Na klar, haben Sie gesagt. Jetzt sind Sie also in einem Kinofilm verewigt. Und zur Erinnerung an die Szene hat Ihnen Herr Wendt die Seite mit dem Dialog aus seinem Drehbuch geschenkt. Immerhin ein Original. Das tragen Sie jetzt ständig bei sich. Nur zu blöd, dass er darauf herumgekritzelt hat!
Sie heißen Gerda Buchbinder und müssen die Premiere leider unter einem sehr schmerzhaften Vorzeichen erleben: denn Ihr Mann Kai, der bei dem Film als Ausstatter mitgewirkt hatte, ist während der Dreharbeiten zu Tode gekommen. Und das am letzten Drehtag. Ein unachtsamer Schritt auf einem Gerüst und Kai stürzte ab und brach sich das Genick. Sie sind untröstlich! Zumal Sie felsenfest der Auffassung sind, dass der Tod von Kai hätte vermieden werden können. Das alles ist nur die Schuld der Produktionsfirma. Allen voran der verantwortliche Geschäftsführer Daniel Pückler. Kai hatte nach der Arbeit oft davon erzählt, dass Herr Pückler immer wieder Sparmaßnahmen predigte worunter vor allem die Sicherheitsvorkehrungen am Set betroffen waren. Auch wenn Kai es posthum aufs Filmplakat geschafft hat – das macht ihn auch nicht wieder lebendig!
Sie heißen Paul Hengstenberg und gehören mit Ihren nun schon fast 90 Jahren zum Urgestein des Filmgeschäfts. Sie waren Stuntman der ersten Stunde. Klar, dass Sie sich da etliche Knochenbrüche und Narben zugezogen haben. Das ließ sich nur dann schnell wegstecken, wenn man zuvor wusste, welche Filmpartnerin man an seiner Seite hatte. Und Sie hatten sie alle. Die Sexsymbole der 50er, 60er und 70er Jahre: Sophia Loren, Gina Lollobrigida, Anita Ekberg. Um nur mal ein paar zu nennen. Das waren und sind heute immer noch Frauen, deren Ausstrahlung und Stärke von innen herauskam. Zur damaligen Zeit gab es ja auch weder Silikon noch Botox. Auch wenn Sie heute nicht mehr vor der Kamera stehen, sind Sie dem Kino dennoch treu geblieben und verpassen nur selten eine Premiere. Und Ihren legendären Stunt, bei dem Sie 1959 auf dem äußersten Dachgeländer des Empire State Buildings in einem Affenkostüm einen Handstand machten, würden Sie sich heute immer noch zutrauen.
Sie heißen Mario Nette und arbeiten freiberuflich als Cutter. Wie man in Deutschland dazu sagt. Denn kurioserweise kommt die Berufsbezeichnung aus dem Englischen (to cut = schneiden), dort aber heißt der Cutter Editor. Der Kinofilm Déjà Vu ist für Sie übrigens ein Jubiläum: es ist Ihr 50. Film, den Sie geschnitten haben! Zu diesem Anlass hat Ihnen die Film-Crew eine Schere am „Goldenen Band” verliehen. Ihre Arbeit beginnt dann, wenn der Film fertig gedreht ist. Zuerst sichten Sie das gesamte Filmmaterial und dann suchen Sie die besten Szenen aus. Klaus Wendt, der Regisseur des Films Déjà Vu, ist bekannt dafür, dass er dreht und dreht und dreht. Das hieß für Sie, Sie mussten schneiden und schneiden und schneiden. Sehr zum Leidwesen der Hauptdarstellerin Clärchen Ballhaus. Denn von den 150 Szenen mit ihr blieben nur 32 übrig. Dafür aber haben Sie Clärchen unvergesslich gemacht!